Beschluss der Fraktion: Grün. Besser leben in Thüringen.

Beschluss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Landtagsfraktion Thüringen zur Klausur in Neudietendorf vom 5. bis 6. März 2013

THÜRINGEN ÖKOLOGISCH UND SOZIAL ERNEUERN

Aus den Wahlen in den vergangenen Jahren sind BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestärkt hervorgegangen. Und in immer mehr Ländern gibt es grüne Regierungsbeteiligungen. Das ist gut für die Menschen, die sich immer häufiger für eine ökologische und soziale Politik entscheiden. Überall dort, wo BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mitregieren, wird der Reformstau aufgelöst und gerecht, sachlich, verlässlich und vor allem bürgerInnennah regiert. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für eine andere, eine nachhaltige und bessere Politik. GRÜN steht für einen anderen Politikstil. Auch Thüringen hat eine andere, eine bessere Politik verdient. Schwarz-Rot blockieren sich selbst und das Land. Allein die Angst vor dem anstehenden Machtverlust hält die Koalition zusammen. Der einzige vermeintliche große Wurf der schwarz-roten Koalition, das Kita-Gesetz, ist in Wahrheit ein rot-rot-grünes Gesetz. Ob in der Bildungspolitik, bei der überfälligen Gebietsreform oder mit Blick auf die dringend notwendige Energiewende: CDU und SPD stehen auf der Bremse und verursachen einen Entscheidungsstau im Land. Die Leidtragenden sind die Bürgerinnen und Bürger, die nach fünf verlorenen Jahren des Verwaltens statt Gestaltens, nicht wissen, wo die Reise hingehen soll. Thüringen sah sich nach der CDU-Alleinherrschaft bereits 2009 vor großen Herausforderungen. Diese sind unter Schwarz-Rot nicht weniger geworden. Vielmehr ist es eine Zeit der verpassten Chancen und verlorenen Jahre. Nach vier Jahren Regierungszeit von Lieberknecht und Matschie steht unter dem Strich ein höherer Schuldenberg. Selbst der Haushalt 2012, der einzige ohne Neuverschuldung, ist ein Verdienst der guten Konjunktur und niedriger Zinssätze für die Thüringer Schulden. Überall, wo wir Reformen brauchen und die Bürgerinnen und Bürger zu Recht auf einen politischen Kompass warten, zeigt Schwarz-Rot nur zerstrittenen Stillstand. Die Gebiets- und Funktionalreform stockt. Eine Verfassungsreform mit Schuldenbremse, mehr BürgerInnenbeteiligung und modernen Werten steht gar nicht erst zur Diskussion. Eine zukunfts- und chancenorientierte Familien- und Bildungspolitik ist nicht mehr zu erwarten. Frauen- und Gleichstellungspolitik findet so gut wie keine Beachtung und die jüngsten Aussagen von Ministerpräsidentin Lieberknecht gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften und das Adoptionsrecht machen deutlich, dass Schwarz-Rot unsere Lebenswirklichkeiten nicht anerkennen will. In der zweiten Hälfte der Legislatur offenbart die Landesregierung ihr Komplettversagen in der Umwelt- und Naturschutzpolitik. Wichtige Gesetzesvorhaben wie die Novellierungen des Thüringer Naturschutzgesetzes, des Thüringer Wassergesetzes und des Thüringer Jagd- und Waldgesetzes liegen auf Eis, weil sich CDU und SPD gegenseitig blockieren. Und die unzureichende Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und der NATURA2000-Managementpläne sowie die ungezügelte Flächenversiegelung im Freistaat zeigen, welchen geringen Stellenwert der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlage für die Thüringer Landesregierung hat. Die Förderung von nachhaltiger und ökologischer Landwirtschaft, von wirksamem VerbraucherInnenschutz und dem Voranbringen der Energierevolution vor Ort, scheitert an der Uneinigkeit der KoalitionspartnerInnen. Mehr Beteiligung der BürgerInnen ist nicht gewollt, direkte Demokratie bleibt weiter außen vor. Die Entdeckung des NSU und die Erschütterung über die Morde durch die drei RechtsterroristInnen aus Thüringen hat noch lange nicht zu einer anderen Politik oder zu konkreten Vorschlägen für eine bürgerrechtsorientierte Innenpolitik und den notwendigen Umbau der Sicherheitsarchitektur geführt. Thüringen fällt unter Schwarz-Rot in vielen wichtigen Zukunftsfragen im Bundesvergleich zurück, auch weil andere mutiger und engagierter sind. Dort, wo wir Grüne Verantwortung in der Regierung übernommen haben, geht es vorwärts. Deswegen kann es nur heißen: Ohne GRÜN kein Wechsel hin zu einer sozialen und ökologischen Politik in Thüringen! Besser leben in Thüringen geht nur mit grüner, nachhaltiger, gerechter, sozialer und werteorientierter Politik!

NACHHALTIG UMSTEUERN

Thüringen ist eine Wiege der Nachhaltigkeit. Hier unterzeichnete die damals 23-jährige Anna Amalia den legendären Erlass, nach dem die heimische Forstwirtschaft gemäß nachhaltigen Grundsätzen handeln soll. Hier bezeichnete Goethe diesen Ansatz später als „Teilnahme an den produktiven Kräften der Natur“. Heute reden wir in diesem Zusammenhang von der Verbindung von Ökologie und Ökonomie und definieren einen neuen Wohlstandsbegriff, der nicht zu Lasten kommender Generationen geht. Dafür müssen wir alte Gewohnheiten hinterfragen. Das fängt bereits damit an, wie wir Wachstum und Wohlstand messen. Es ergibt keinen Sinn, möglichst hohe Wachstumsraten als Ziel der Wirtschaftspolitik anzustreben. Die innere Logik, nach der ein hohes Bruttoinlandsprodukt-Wachstum gut für die Gesellschaft ist, stimmt nicht. Denn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) misst den Umsatz und nicht das Wohlergehen der Menschen. Die Diskussion um Alternativen zum BIP ist seit 30 Jahren im Gange und wird international von UNO und OECD geführt. Auch Frankreich und Großbritannien beteiligen sich an der Diskussion. Mehr Wachstum in den Industrieländern führt nicht zu mehr Wohlstand oder gesellschaftlichem Zusammenhalt. Der ungebremste Raubbau an unseren Ressourcen zeigt sich insbesondere beim Flächenverbrauch. Dieser steigt statt zu sinken. Konzepte und Ansätze, das zu ändern, existieren auf dem Papier, werden aber von der Landesregierung nicht umgesetzt. Wir haben die Entwicklung und Erfassung eines regionalen Wohlfahrtsindexes für Thüringen, also eines alternativen BIPs, bei renommierten Forschungsinstituten in Auftrag gegeben. Was messen wir also? Den Wert ehrenamtlicher Arbeit zum Beispiel. Wir messen Schäden durch Lärm und Wasserverschmutzung. Wir beziehen den Verbrauch von Ressourcen ein. Wir messen Zeit anders. Was ist produktiver: Zeit für und in der Familie oder Zeit auf der Autobahn? Wir zeigen, wie eine echte und nachhaltige Entfaltung von Chancen durch bessere Bildung und Teilhabe sowie mehr Einkommens- und Vermögensgleichheit Thüringen lebenswerter macht. Nachhaltig Umsteuern für mehr Gerechtigkeit – das ist unser Auftrag innerhalb dieser und auch über die kommenden Generationen in Thüringen hinaus. Als Grundlage dafür brauchen wir zukunftsfeste Strukturen im Land, von der Verwaltung bis zu unseren Bildungsinstitutionen. Wir brauchen Arbeitsplätze, die gut entlohnt werden und eine bessere Anerkennung von Sorgearbeit. Wir brauchen eine Regierung, die sich im Land und auf Bundesebene für die richtigen Rahmenbedingungen einsetzt. Sowohl beim Mindestlohn, bei der Steuerpolitik, bei der Frauenförderung, bei der Chancengerechtigkeit in der Bildung als bei auch der Gleichstellung von LSBTI in unserer Gesellschaft. Ein richtiger Kurswechsel ist nötig und findet nur mit starken Bündnisgrünen statt. Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne sowie prekäre Beschäftigungsverhältnisse sind sichere Vorzeichen auf dem Weg in die Altersarmut. Insbesondere Frauen droht dies zunehmend – gerade für den Osten und gerade für das CDU-Billiglohnland Thüringen. Nicht hinnehmbar ist auch der geringe Frauenanteil in Aufsichtsräten und Beiräten, also in den Führungsetagen der landeseigenen Einrichtungen und Institutionen in Thüringen. Unsere Große Anfrage zur sozialen Mobilität zeigte, dass von den 161 Mitgliedern nur 16 Frauen sind – ein Anteil von unter zehn Prozent. Zählt man die entscheidenden Führungsebenen zusammen, also Vorstand und Geschäftsführung, ist es sogar nur noch ein Frauenanteil von drei Prozent. Wir wollen in die Zukunft und in die Köpfe investieren und nicht in die Zementierung von alten Strukturen und überholten Ideen. Das fängt bei der Familienförderung im Freistaat an, die sich immer noch eher an einer überkommenden CDU-Ideologie statt an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientiert. Wir wollen Kindern die besten Startchancen ins Leben geben, sie begleiten und fördern und ihre Eltern bei ihrer Erziehungsleistung unterstützen. Insbesondere Alleinerziehende sind aufgrund einer verfehlten Familienpolitik im Bund auf unsere Hilfe angewiesen. Deswegen brauchen wir ein Bildungssystem, das von der Kita bis zur Bildungsfreistellung im Job die Menschen in Thüringen in ihrem Leben unterstützt und fördert, statt sie auszugrenzen. Wir brauchen mehr Durchlässigkeit und Quereinstiegsmöglichkeiten, damit lebenslanges Lernen auch jenseits eingetretener Pfade möglich wird. Soziale Mobilität, sozialer Aufstieg und ein besseres Leben müssen das Ziel unseres Handels sein. Nachhaltig Umsteuern heißt auch schon heute an die Konsequenzen des eigenen Handels für morgen und übermorgen denken. Ob in der Verkehrspolitik, der Wirtschaftspolitik, der Umweltpolitik oder in der Landwirtschaft, zu lange schon drückt sich die Thüringer Landesregierung um die Wahrheit herum und verweigert sich den notwendigen Schlüssen aus einer verfehlten Politik. Für uns ist die Nutzung der EU-Strukturfonds für Landwirtschaft, Regionalentwicklung und Soziales ab 2014 eine Chance, hier deutlich andere Akzente zu setzen. Die Landesregierung hat überall viel Geld in Straßen investiert, deren Unterhalt nun das Land und die Kommunen finanziell fesselt. Wir müssen attraktive Alternativen zum Individualverkehr anbieten sowohl für PendlerInnen, Familien, jugendliche Party- und ClubbesucherInnen als auch für unsere SeniorInnen oder Menschen mit Behinderungen. Ein funktionierender, abgestimmter und verlässlicher öffentlicher Nahverkehr ist die Lösung. Wir Grüne haben mit dem ThüringenTakt-Modell gangbare Alternativen aufgezeigt, wie Mobilität für alle funktionieren kann. In der Landwirtschaft zeigte sich in den vergangen Wochen erneut, wie wichtig es ist, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher auf Transparenz in der Lebensmittelproduktion zügig und umfassend zu stärken. So lange es sich dank des bestehenden Systems der Lebensmittelkennzeichnung und -herstellung faktisch lohnt, kriminell zu wirtschaften, sind solche Lebensmittelskandale immer wieder vorprogrammiert. In der Landwirtschaft müssen wir verstärkt regional denken, produzieren und konsumieren und wir müssen konsequent auf den ökologischen Anbau und die ökologische Zucht setzen. Dafür brauchen Thüringens Bäuerinnen und Bauern unsere Unterstützung. Es reicht eben nicht, dass nach jedem Skandal nach Konsequenzen gerufen wird, um diesen Ruf dann ungehört verhallen zu lassen.

POLITISCHE KULTUR STÄRKEN

Politische Kultur ist für uns mehr als eine hohle Phrase. Eine gute politische Kultur ist die Grundlage für eine funktionierende Demokratie, die die Menschen in Thüringen auf Augenhöhe in die Entscheidungen einbindet. Wir Grüne stehen deshalb für eine erfahrbare Demokratie und mehr BürgerInnenbeteiligung. Das muss auch die Grundlage für die notwendige Diskussion bei der Gebiets- und Funktionalreform sein. Ein Mangel an politischer Kultur kann aber auch ganze andere Folgen haben. Der von unserer Fraktion initiierte deutschlandweit erste Untersuchungsausschuss zu den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) zeigt bereits nach einem Jahr, dass das Versagen bei der Verfolgung der MörderInnen, ihrer UnterstützerInnen und SymphatisantInnen zu einem erheblichen Maße auf die vorherrschende politische Kultur zurückzuführen war. Die fatale Gleichsetzung von Links- und Rechtsextremismus und die daraus resultierende Schwerpunktsetzung auf die Verfolgung von linker Gewalt war ein großer Fehler der Regierungsverantwortlichen. Für uns ist klar, dass neben den gravierenden Kommunikationsmängeln der beteiligten Behörden auch eine fehlende Wachsamkeit und ein Verkennen der Gefahr von Rechts in der Zivilgesellschaft dazu führten, dass sich das spätere Terrortrio derart radikalisieren, vernetzen und später sogar unentdeckt Banken überfallen und morden konnte. Es gab keine gesellschaftliche Gegenposition. Ursache dafür war auch der Streit in der damaligen großen Koalition von CDU und SPD über den Umgang mit dem erstarkenden Rechtsradikalismus. Diese Uneinigkeit führte zu einem fatalen Negieren, Verharmlosen und Verdrängen der rechten Gefahr. Nach der Entdeckung des NSU und einem Jahr Arbeit des parlamentarischen Untersuchungsausschusses 5/1 braucht es ein grundsätzliches Nachdenken über unsere Sicherheitsarchitektur, die künftig konsequent bürgerrechtlich orientiert sein muss. Grundlage dieser neuen Sicherheitsarchitektur ist die schonungslose Aufklärung und die Stärkung der Zivilgesellschaft. Dazu gehört auch, selbstverständlich Gesicht zu zeigen gegen Rechts, beispielsweise am 1. Mai in Erfurt, am 4. Mai im Eichsfeld und am 6. Juli in Gera. Dabei dürfen wir es aber nicht belassen. Die notwendige Gegenbewegung, die wir für Thüringen brauchen, ist, neben einer Stärkung und Anerkennung der zivilgesellschaftlichen Initiativen und BürgerInnenbündnisse gegen Rechts, eine aktive Willkommenskultur, die Menschen nach Thüringen einlädt und sie würdevoll aufnimmt. Davon hängt der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft ab. Bestehende Ängste in den Köpfen der Menschen dürfen wir weder ignorieren noch verharmlosen. Wir Grüne wollenden den Kampf um die Köpfe von jungen Menschen und ihre Einstellungen führen. Dabei leitet uns der Grundgedanke: Keine Toleranz für Intoleranz! Der Wert einer Gesellschaft bemisst sich immer auch an ihrem Umgang mit den Schwächsten. Wir Grüne streiten für eine menschenwürdige Politik – auch für Flüchtlinge und AsylbewerberInnen. Deshalb wollen wir die Residenzpflicht aufheben, den Menschen selbstverständlich Bargeld statt Gutscheine ausreichen, ihnen den Zugang zu medizinischer Versorgung garantieren und sie dezentral statt menschenunwürdig unterbringen. All das wäre auch jetzt schon möglich, doch diese Koalition stellt sich aus Angst vor Diskussionen in den eigenen Reihen gegen die Menschlichkeit und ein würdiges Miteinander. Es braucht dringend eine bessere, eine andere Politik, damit Thüringen eine Zukunft für alle bietet und die Vielfalt im Land als Chance begreift.

Das geht nur mit GRÜN!



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