Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Wahlrechts in Thüringen

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Entwurf eines Gesetzes zur Erweiterung des Wahlrechts in Thüringen - Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin!

Meine Damen und Herren!
Ich glaube, es gibt keinen Satz, der die Beweggründe für unseren Gesetzentwurf besser auf den Punkt bringt als die Worte des Altkanzlers Willy Brandt, der das Motto ausgab: Wir wollen mehr Demokratie wagen. - Wir GRÜNE wollen heute mehr Demokratie wagen, indem wir das aktive Wahlalter bei Kommunalwahlen auf 16 Jahre absenken. Aber ich will auch einen weiteren bedeutenden Sozialdemokraten, Helmut Schmidt, zitieren:
„Keine Begeisterung sollte größer sein, als die nüchterne Leidenschaft zur praktischen Vernunft." Wir GRÜNE bleiben dennoch bei unserer Begeisterung für die Politik - und wissen uns hier im hohen Haus in guter Gesellschaft.

„Erst der Enthusiasmus, dann erst der Fleiß." Sagt Stefan Zweig, und so will ich bei aller Begeisterung für mehr Partizipation fleißig argumentieren.
Denn uns BÜNDNISGRÜNEN ist vollkommen klar, dass wir mit unseren 6 Stimmen das aktive Wahlalter nicht auf 16 Jahren absenken werden. Wir brauchen Sie alle!

Umso wichtiger ist es mit Argumenten zu werben:
Beginnen will ich aber mit den Gegenargumenten zum abgesenkten Wahlalter:
1. Am häufigsten habe ich gehört, Jugendliche können die Wahlentscheidung noch nicht treffen - es fehlt ihnen die Reife.
2. Weiterhin wird angeführt, Jugendliche neigten zu extremen Positionen und das ist gefährlich.
3. Jugendliche seien selbst an einem abgesenkten Wahlalter gar nicht interessiert - weil Politikverdrossen.
4. Wahlalter und Volljährigkeit müssten immer gekoppelt sein.
Es gibt noch mehr Argumente aber diese scheinen mir die häufigsten und wichtigsten zu sein.

Dagegen stehen die Pro-Argumente:
Jugendliche interessieren sich sehr wohl für Politik und sind gerade als Erstwählerin und Erstwähler begeistert. Sie sind nicht politikverdrossen sondern Politikerinnen- und Politikerverdrossen. Deshalb wollen wir Jugendliche entsprechend ihrer tatsächlichen Entwicklung partizipieren lassen. Wir wollen die Distanz, die junge Menschen zur Politik haben, verringern.

Jugendliche sind von unseren Entscheidungen - unserer Politik - am meisten , weil am längsten betroffen. Nachhaltigkeit ist eines der Schlagworte der internationalen Politik, und die Generationen, die im ureigensten Sinne an Nachhaltigkeit interessiert sind, werden für mehr Weitblick in der Politik sorgen. Ein Baustein zu einer besseren Politik ist deshalb eine bessere Partizipation der zukünftigen Generationen - ist die Absenkung des Wahlalters.

Der Autor der Shell-Studie, Prof. Klaus Hurellmann, stellt immer wieder klar: ein wesentlicher Unterschied in der Sozialisation und in der sozialen Kompetenz ist bei 16- und 17- Jährigen gegenüber 18-Jährigen nicht feststellbar. In den Bundesländern (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen) darf man bereits bei Kommunalwahlen mit 16 Jahren wählen. Auch dort gab es Gegner. Doch ist die Welt trotz Einführung untergegangen? - Sie ist nicht untergegangen, und die Kommunalparlamente funktionieren wie eh und je. Deshalb wollen wir diejenigen, die von den heutigen politischen Entscheidungen am längsten betroffen sind, besser beteiligen.

Politik bleibt jünger, denn sie muss sich an den Wünschen und Problemen einer jüngeren Wählerschicht nähern und wir können dabei wesentliche Anregungen gewinnen. Und es bleibt dabei: mehr Menschen die mitentscheiden können, machen die Diskussionen besser - ich komme darauf zurück (Zit. Adenauer). Dazu gehört auch, dass wir uns als Thüringer Gesetzgeberin der Verantwortung stellen, dass Recht und die Gesetze fortzuentwickeln und diese 5. Legislatur ist ein guter Zeitpunkt dazu.

Den Gegenargumenten, die ich alle sehr ernst nehme, möchte ich mich darum besonders widmen. Argument: Reife und Rechtfertigung einer starren Altersgrenze.

Wichtig ist mir klar zu stellen, die Altersgrenze des aktiven Wahlrechts ist einfach willkürlich gewählt. Mit 14 Jahren wird man strafmündig, mit 14 Jahren erlangt man die volle Religionsmündigkeit, mit 14 Jahren kann man auch Mitglied in Parteien werden und dort sogar Ämter übernehmen. Viele entscheiden sich für einen Beruf und prägen so ihr ganzes Leben. Aber ein Kreuzchen machen - da soll man mit 16 Jahren überfordert sein? Und überhaupt, es gibt doch nur aus parteipolitischer Sicht ein Richtig oder Falsch beim Ankreuzen. Was ist denn eine unreife oder reife Wahlentscheidung? Ist es denn Reif? Sind wir uns denn einig, dass die Entscheidung für den Atomausstieg eine reife Entscheidung ist?

Ist es denn Reif mit der SPD den Wechsel wählen zu wollen um dann nur eine neue CDU-Ministerpräsidentin zu bekommen? Ist es denn Reif Steuersparmodelle zu wählen? Ist es denn Reif, eine Partei wegen ihres linken-weltoffenen Weltbildes zu wählen und damit die Handlanger eines Unrechtsregimes ins Parlament zu holen? Ist es denn Reif eine christliche Partei zu wählen, die sich ganz für die Bewahrung der Schöpfung einsetzen müsste, stattdessen aber die Schöpfung gegen jedes noch so fragwürdige Gewerbegebiet schnell abwägt? Und ist es denn Reif, eine Partei zu wählen die pazifistisch ist und dennoch den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu verantworten hat? Reife Entscheidungen sind eine schwierige Sache und nicht abhängig vom Alter.

Dieser Gesetzentwurf richtet sich auf die kommunale Ebene. Es ist doch üblich und legitim auf kommunaler Ebene die Wahlentscheidung vom Stadionneubau, von einem antiautoritären Reflex gegen Stadtwerke-Geschäftsführern o.ä. abhängig zu machen.

Im Übrigen verweise ich auch auf die Argumentation vom Münchener Politologen und Juristen Dr. Merk: „Staatsgewalt darf nur vom Volk ausgehen ... da die Staatsangehörigkeit mit der Geburt erworben wird ... kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass das Staatsvolk sämtliche lebenden Individuen umfasst ..." (Merk in Palentien/Hurrelmann, „Jugend und Politik" 1997, S. 262).

Zu den weiteren Argumenten:
Dem Argument, Jugendliche würden zu extremen Positionen tendieren, lässt sich auch mit verschiedenen Untersuchungen, u.a.
-mit einer Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung „Bildung der Persönlichkeit", 2002
-den Ergebnissen der parallel zur Bundestagswahl 2009 stattfindenden Juniorwahl (0,5% REP)
begegnen. Danach haben beispielsweise nur ein kleiner Prozentsatz der jugendlichen Wählerinnen und Wähler in ihrem Abstimmverhalten Extrempostionen eingenommen.
Ebenso ist es mit der Frage: Wie viel Interesse Jugendliche selbst an der Wahl haben, auch dies lässt in den vorgenannten Ländern darstellen und ist durch Untersuchungen belegt.

Zum Thema der Rechtfertigung der Altersgrenze habe ich schon Stellung bezogen.
Wir GRÜNEN wollen die contra-Argumente ernstnehmen. Wir wollen diese mit Ihnen im Innen-und Justiz-Ausschuss diskutieren.

Wir glauben, dass wir mit den Pro-Argumenten überzeugen können.
Obwohl uns bewusst ist, dass die reine Absenkung des Wahlalters allein nichts bringen wird. Dazu braucht es mehr:
-eine altersgerechte Sprache bei uns
-die Geduld sich auf altersspezifische Forderungen und Bedürfnisse einzulassen
Und vieles mehr.....
Alles ist zum scheitern verurteilt, wenn wir dabei keine echte Mittbestimmungsangebote machen!

Lassen sie mich mit einem Zitat von Konrad Adenauer schließen:
„Erfahrungen sind wie Samenkörner, aus denen Klugheit empor wächst."

Lassen sie uns jede Wahlberechtigte und jeden Wahlberechtigten wie Samenkörner sammeln, dann wird der gesamtgesellschaftlichen Klugheit gedient.

Vielen Dank!



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